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Pferde sind anders, Reiter auch oder warum Corona in der Box bleiben muss

Corona im Reitstall ist wie Schrödingers Katze – irgendwie existiert es doch, aber doch nur auf irgendeiner Metaebene, ich vermute, auf dem verstaubten Heuboden. Da liegt ja so einiges rum, und wenn es nur der Reitlehrer mit der Frau des hiesigen Vereinsvorsitzenden ist. Aber die setzen keinen Staub an. Corona auch nicht, auch wenn das einige Pferdeleute glauben.

Es ist ja so eine Crux mit den Reitersleuten. Was alle gemeinsam haben: Dem Pferd solls bitteschön gut gehen. Aber die Wege zum Ziel, die sind sehr unterschiedlich in der Ausprägung. Da gibt es Menschen, die lassen ihr Pferd ganz klassisch essen, was es mag: “Instinkt”, wie die Wildpferde. Nein, Loreley, Hannibal darf weder die Herbstzeitlose noch die Eibe noch den Apfelstrudel vertilgen. Das ist kein Instinkt, das ist das Metabolische Syndrom.

Wieder andere schwören auf die natürliche Haltung der Pferde, die dürfen gebisslos einfach so dahinlaufen, wie sie möchten. Zurück zur Natur, leider ohne Muskelkraft nicht gesund, die 105 Kilo Reitergewicht ohne Sattel. Und nein, Else, der Loro stolpert nicht, weil er eine geistige Blockade hat, dem fehlt schlicht Kraft.

Ganz andere Reiter hören einfach auf zu Reiten, weil das ja nicht dem Sinne des Pferdes entspricht. Blöd, wenn Lady bis eben noch ein Sportpferd mit viel Kondition war. Das arme Tier! Nichts wie rauf auf die Koppel! Und nein, Michael, Lady benimmt sich nicht so, weil ein Dämon in ihrem Innersten durch Handauflegen aufgerüttelt wurde.

Es gibt 101 Haltungsform, es gibt 99 verschiedene Wege zum (aufs) Pferd.

Schlimm wird es, wenn Pferde und Menschen dadurch ins Hintertreffen geraten. Pferde sind Tiere, die ihre Artgenossen brauchen. Pferde wollen artgerechte Haltung – die aber auch nach Pferd variieren kann. Leider verlieren viele ReiterInnen in schwierigen Zeiten jegliche Bodenhaftung. Grund dafür sind auch die zahlreichen Experten, die sich via Facebook und Instagram exponentiell vermehren. Das kann nämlich nicht nur Corona, sondern auch irgendwelche Spinner.

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Wo früher noch eine Ausbildung zum Reitlehrer fällig war, kann sich jetzt jeder Experte nennen. Da gibt es Handaufleger, Heiler, Pferdefühler, Kommunikatoren und was weiß ich. Zufällig vertreiben die auch noch selber gebraute Mittelchen und die Termine müssen schön engmaschig sein, sonst bringt es nichts. Ich sage es gerade heraus: Der Markt der Scharlatane und der Abgehobenen blüht, vor allem im Pferdesport.

Klar, jeder Pferdebesitzer will das beste für sein Tier. Das beste für sein Pferd sind – Achtung, hier kommt unfassbares Insiderwissen – folgende Punkte:

  • gut ausgebildete und fitte Reiter
  • sachgemäße Pflege
  • Fütterung mit Sachverstand nach Individuum
  • Frisches Wasser
  • Täglicher Auslauf und Bewegung
  • pferdegerechtes Training
  • Kontakt mit Artgenossen
  • Gut situierte Pferdebesitzer, falls das Ross mal krank wird

Klar gibt es Platz für Alternativen: Gute Osteopathen oder Hufpfleger haben beispielsweise durchaus ihre Berechtigung. Auch TCM als Zusatz bei den Tierärzten – wunderbar! Leider gibt es mittlerweile 222 Kurse, wie man sich zu irgendeinem Heiler/Guru/Ausbilder wasweißich ausbilden lassen kann. Und die praktizieren munter und schaden dabei den Ehrlichen, denen, die wirklich Sachverstand besitzen. Die verbreiten dann ihre irrsinnigen Theorien durch (a-)soziale Medien und finden auch noch Zulauf.

Das beschränkt sich nicht nur auf die Pferde, sondern auf alles: Besonders beliebt ist da ja Corona, dass es in vielen Köpfen gar nicht gibt. Vielleicht doch nur Stroh drin, wer weiß. Andere sind strikte Impfgegner, die den Pferdebesitzern Angst machen; zuletzt bei Herpes gesehen. Reitställe bieten den Querschnitt der Bevölkerung, da gibt es die Guten, die Helfer, die Wohlmeinenden, die Fähnlein im Wind, die Mutigen, die Hinterhältigen, die Dummen und die Betrüger.

Ich lege euch ans Herz: Glaubt nicht alles, nur weil es ein “Pferdeexperte” besser weiß. Betrachtet das Pferd als das, was es ist: Ein Tier mit Bedürfnissen, das nicht vermenschlicht werden muss. Bei Marc könnt ihr beispielsweise viel über die Sprache der Pferde lernen. Ich lasse auf diesem Blog gerne die wirklichen Experten zu Wort kommen.

Was mir großen Unmut macht: Einige vermeintliche Experten aus großen Reitställen ignorieren Coronaregeln und halten das ganze für eine Lüge. Sie gefährden damit das Leben der Menschen – und der Tiere. Denn was, wenn der Pferdebesitzer verstirbt? Leider sind auch Pferdeblogger und “Influencer” auf diesen Zug aufgesprungen: Sie sind Impfgegner, glauben an eine Weltverschwörung und an kein Covid. Schenkt solchen Menschen keine Aufmerksamkeit. Denn Blogger tragen auch soziale Verantwortung, derer sie so nicht gerecht werden. Und Aufmerksamkeit ist die Währung des Internets.

Lasst uns dieser Tage zusammenrücken und das gemeinsame Wohl im Auge haben: Das unserer Pferde und unserer Mitmenschen. Nehmen wir Rücksicht, halten Abstand und tragen die Maske. Das tut nicht weh und kann Leben retten.

 

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