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Was wir von Wildpferden lernen können – Interview mit Tierfilmer Marc Lubetzki

Neue Woche, neues Buch: Ein Pferdebuch der besonderen Art hat Marc Lubetzki veröffentlicht. “Im Kreis der Herde”, so der Titel, erzählt mit wundervollen Bildern das Leben von Wildpferden. Und wir können alle dabei etwas lernen. Außerdem hat Marc auch Erfahrungen mit Trabern gesammelt – seid überrascht, was er zur Haltung von Trabern sagt!

Kennt ihr Marc eigentlich? Marc ist ein bekannter Tierfotograf- und Filmer. Er ist auf Wildpferde spezialisiert und lebt, wenn er nicht gerade unterwegs ist, mit seiner Frau Eike und einigen Vierbeinern im schönen Norden Deutschlands. Marc Lubetzki ist nicht immer mit der Kamera hinter den Pferden hergewesen; früher nahm er Unterricht bei Brent Branderup und hat “nebenbei” pferdegerechte Sättel als Sattlermeister entwickelt – seine Firma “La Selle” verkaufte er, um sich erfolgreich den Wildpferden hinter der Kamera zu widmen. Und nun viel Freude beim Lesen – und erzählt mal, was euch am meisten überrascht hat!

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Bild: Marc Lubetzki

Marc, dein Buch „Im Kreis der Herde“ ist ja fast ein Pflichtstück in Sachen Pferdeverhalten verstehen. Was war zuerst da: Die Buchidee oder der Wunsch, die Wildpferde mit der Kamera zu begleiten?

Ein Buch wollte ich nie schreiben: Schon in der Schule gehörte das Fach nicht zu meinen Favoriten. Aber Gudrun Braun vom Kosmos Verlag hatte mich angesprochen, und ihr Mann ist ja auch Tierfilmer. Die beiden sind so unglaublich nett, da konnte ich nicht „nein“ sagen“.

Der Wunsch war, Pferdehaltern eine spannende Geschichte zu erzählen, die Leser sollen etwas mitnehmen aus dem Buch.

Dartmoor, Mustang oder Konik – Wildpferde leben in vielen Teilen der Erde. Gibt es ein Gebiet, das du noch bereisen möchtest? Und welcher Teil deiner Reise hat dich bisher am meisten fasziniert?

Ja da gibt es noch einige – aber davon erzähle ich, wenn ich dort war.

 

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Bild: Kosmos Verlag / werbung

 

Das Buch „Im Kreis der Herde“ handelt komplett in Europa, da können die Leser auch meisten mitnehmen für ihr eigenes Pferd. Denn eine Wüstenumgebung ist für Pferdehalter im deutschsprachigen Raum nicht relevant – Vegetation und Fressverhalten sollen unsere Haltungsformen so widerspiegeln, dass die Leser einen Nutzen aus dem Buch ziehen können.

Allein in Europa gibt es viele unterschiedliche Pferdetypen: Der robuste Nordpferdetyp, die feinen, leichten Pferde im Süden – nicht nur das Aussehen ist anders, auch die Verhaltenseigenschaften.

Wölfe und Wildpferde – in Portugal sind beide zuhause

Du fragst, was mich am meisten fasziniert: Das ist wohl Nordportugal. Ich habe ja selber einen Lusitano zuhause stehen, aber das dort im Norden so lange schon Wildpferde leben, das hat mich begeistert: Vor vielen Jahren sah ich eine alte Stute, die konnte kaum noch laufen, ein großes Fohlen dabei und wieder tragend… mal gucken, wie es mit ihr zu Ende geht, das war mein spontaner Gedanke. Ich habe sie aus den Augen verloren. Vor ungefähr sechs Jahren ortete sie dann ein befreundeter Biologe, sie lebte noch. Jetzt erst traf ich den alten Hengst aus der Herde wieder. Wahnsinn, dort leben noch 300 – 400 Wölfe in der Gegend, ich bin beeindruckt, wie die Pferde unter diesen Bedingungen so gut zurechtkommen.

Apropos Verhaltenseigenschaften – einige Rassen scheinen sich ja nicht gut zu vertragen in Herden. Was meinst du dazu, kannst du diese Aussage unterstützen?

Was bestimmt für viele Leser interessant sein dürfte, sind die Unterschiede, wie Pferde aufwachsen (mit Gleichaltrigen, im Herdenverband mit älteren Pferden usw.). So kommt es später unter Umständen zu Problemen. Denn das Herdenverhalten, die Sozialisation, unterscheidet sich auch dahingehend.

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Kein Wildpferd, lebt aber im Herdenverbund. In Deutschland gibt es einige halbwilde Pferdeherden, am bekanntesten sind sicher die Dülmener.

 

Die Natur ist nicht immer gnädig. Welcher Moment auf deiner Reise war für dich besonders prägend – im Guten wie im Schlechten? Und was müssen wir als Pferdehalter daraus berücksichtigen?

Der Tod ist auf fast jeder Reise dabei und ist sicherlich nicht toll. Prägend ist die Trauer in der Herde. Ein Fohlen stirbt (das passiert sogar recht häufig, durch einen Autounfall beispielsweise), die Mutterstute trauert sehr, auch stärker, und macht Trauerphasen durch wie wir Menschen.

Der plötzliche Tod eines Herdenmitglieds ist ein Schock für die anderen Pferde Da dauert es lange, bis ein normaler Tagesablauf wieder da ist.

Pferde durchleben Trauerphasen wie wir Menschen

Was wir aus dem natürlichen Verhalten mitnehmen können, ist, dass Pferde eben auch trauern: Wenn wir ein Pferd aus der Herde nehmen, das ist für Pferde total unnormal. Der Stresslevel ist sehr hoch. Pferde können nicht ermessen, dass sie eine Zeitlang weg sind und wiederkommen (Lehrgangsbesuch, Turniere usw.). Bei Pferden bleibt die Herde immer zusammen. Auch Althengste halten immer Kontakt.  Der Gang zum Reitplatz ist noch okay, aber eine Hängerfahrt weg von der Herde – das können sie nicht ermessen.

Das Schönste an der Arbeit mit den Wildpferden ist die Wanderung beziehungsweise der Wechsel vom Fress- zum Schlafplatz. Für mich die schönste Zeit am Tag.

Ein Hengst wollte mich nicht aus der Herde gehen lassen

Ich ziehe ja anfangs mit der Herde mit, bis ich in die Herde eingeladen werde – das dauert so ca. sieben Tage. Einmal wollte ich wieder aus der Herde herausgehen, meine Zeit war vorbei. Doch der Hengst hat mich wieder zurückgetrieben. Da bin ich noch zwei Tage geblieben.

Pferde beobachten heißt auch, Sozialverhalten und Körpersprache lernen. Was, glaubst du, können Pferdehalter hierzulande verbessern?

Pferde in einer Herde betreiben vor allem Herdenkommunikation, das müssen sich die Leute wie Schwarmverhalten bei Vögeln oder Fischen vorstellen.

Wenn wir unser eigenes Pferd in einer Stallgemeinschaft halten, müssen wir das im Kopf behalten: Die Herde, das ist die Familie meines Pferdes. Ich darf die anderen nicht ignorieren, ich muss mit allen Herdenmitgliedern in Kommunikation treten.

Die Herde ist die Familie des Pferdes

Freiarbeit mit mehreren Pferden geht in die Richtung. Wenn ich 1:1 kommuniziere stellen Pferde eine Frage. Und sie erwarten auf die Frage eine Antwort. Wir Menschen erteilen eher Befehle – wir müssen auf die Antwort der Pferde aber auch eingehen, wenn es die Situation erlaubt. Einfach ein bisschen cooler werden und zuhören, was sie sagen.

Was vermisst du auf deinen Reisen am Meisten?

Natürlich meine Frau, wenn sie nicht dabei ist, und meine eigenen Tiere. Ich freue mich auf einen Kaffee, wenn ich länger weg war. Unterwegs nehme ich ja nur Flüssignahrung und Wasser zu mir.

Auf dem Beobachtungsposten musst du längere Zeit stillhalten. Auch wenn das Wetter umschlägt. Was sind deine wichtigsten Reiseutensilien in Sachen Outdoor? Hast du einen Geheimtipp für meine Leser?

Wollsachen! Ich trage fast nur reine Wolle, sie hält warm und man schwitzt nicht so. Wolle trocknet auch recht schnell. Meine Stirnlampe ist wichtiges Equipment, nutze ich zwar nur sporadisch, praktisch, wenn man im Dunkeln noch etwas machen muss – gerade im Offenstall bei uns zuhause.

Marc, was hast du persönlich von den Wildpferden gelernt?

Mit dem Rhythmus der Natur leben, im Rhythmus des Tages und Jahreszeiten, Wildpferde ändern ihr Verhalten dahingehend. Und auch Lebenszeiten machen Unterschiede, von Jung zu Alt.  Und das extrem Soziale, was sich in der Rangordnung auch zeigt. Das könnten wir als Mensch zum Vorbild nehmen.

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Traber hatte Marc auch schon vor der Linse (Bild: Archiv)

 

Durch deine Frau Eike bist du überhaupt aufs Pferd gekommen. Begleitet sie dich gelegentlich auf Reisen? Wie haltet ihr unterwegs Kontakt?

Seit zwei Jahren habe ich ein Handy, manchmal habe ich guten Empfang, dann gibt’s mal eine Nachricht, aber nicht jeden Tag oder jede Woche. Unterwegs muss ich eben auch Strom sparen.

Konntest du auch bereits Erfahrungen mit Trabern sammeln? Nicht die typischen Wildpferde, ich weiß…

Vor einer Weile habe ich auf der Trabrennbahn Hamburg gedreht, Züchter und Trainer kennen gelernt. Ich war positiv überrascht, der Umgang mit den Pferden war hochprofessionell. Auch zuhause in den Ställen – riesige Koppeln, tolle Trainingsbahn und es ging auch durchs Gelände. Sicher geht es in diesem Sport nach Leistung, aber man bemerkt sofort, dass die Pferde Teil der Familie sind und sich das ganze Leben der Menschen um die Trabrennpferde dreht. Das hat mich sehr gefreut, denn eines meiner Anliegen ist es ja, dass wir Menschen eine Gemeinschaft mit unseren Tieren bilden.

Aus meinem privaten Umfeld kenne ich im Vergleich dazu auch ehemalige Trabrennpferde, die als Freizeitpferde gehalten werden. Dort zeigt sich oft ein anderes Bild. Die Pferdehalter haben, da sie tagsüber arbeiten, nicht so viel Zeit für ihre Tiere und die Pferde haben eher den Status „Rentner“ mit gelegentlichen Aktivitäten. Also ein ganz anderes Leben für die Pferde. Nun bin ich nicht so gut darüber informiert, wie gut in der Traberszene die Kommunikation zwischen Sport und Freizeit ist, aber ich würde mir wünschen, dass beide Seiten sich austauschen und voneinander lernen. Zum Wohle der Pferde und in eurem Fall, zum Wohle der Traber.

Zu guter Letzt: Marc, was ist dein persönlicher Tipp für Reiter bzw. Pferdehalter?

Mein genereller Tipp für Pferdehalter: Nehmt darauf Rücksicht, dass das Pferd ein Herdentier ist und nicht alleine sein darf. Das sollte jeder Pferdehalter beherzigen.

Marc, vielen Dank für deine Zeit und das spannende Interview!


Hier lest ihr mehr über Marcs Arbeit: WILDPFERDE

Und hier könnt ihr das neue Buch bestellen: IM KREIS DER HERDE (erschienen im Kosmos-Verlag)


Offenlegung in Sachen Transparenz und Werbung: Das Buch “Im Kreis der Herde” wurde mir als Presseexemplar zur Rezension bzw. für das Interview kostenfrei vom Kosmos-Verlag zur Verfügung gestellt. 

Titelbild: Mit freundlicher Genehmigung von Marc Lubetzki

Bilder im Text: Archiv/ Marc Lubetzki (gekennzeichnet) / Luc Bar Fotografie / Kosmos Verlag

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