Das, was da so grummelt, ist wohl die Wut im Bauch: Immer mehr Stallbesitzer bieten neuerdings das Reiten auf Ponys für Kinder an oder gleich Pflegebeteiligungen für jedermann. Gleichzeitig scheren sich viele Reiter nicht darum, unnötige Risiken einzugehen. Da wird munter durchs Gelände gedüst, am besten auf dem vierjährigen Fuchs, der soll sich ja schließlich mal daran gewöhnen. Sind ja nicht bei Wendy hier. Die Sicherheitsweste wirds schon richten. Helm? Ach, hör doch auf, als Volljährige kann ich das locker mal selber entscheiden!
Achtung: Beitrag enthält Meinung!
Natürlich, da draußen gibt es ganz viele tolle pflichtbewusste und verantwortungsvolle Stallbesitzer und Reiter(innen; natürlich sind hier alle Geschlechter angesprochen) – das möchte ich hier ausdrücklich erwähnen und die sollen sich hier gar nicht angesprochen fühlen. Ich haue verbal auf diejenigen drauf, die sich meiner Meinung nach daneben benehmen.
Ein Reiterhof wirbt damit, den Kindern Abwechslung zu bieten: Fällt Ihnen die Decke auf den Kopf? Brauchen die Kinder Auslauf und Vergnügen? Nichts wie hin, die Stallbesitzerin putzt die Ponys, sattelt sie und übergibt sie fertig den Eltern und ihren Kindern: Eine Stunde kostet 15 Euro.
Der neue heiße shit – Ponyverleih & Co.
Ein Bayer würde sagen, die Dummheit gehört abgewatscht (ihr merkt, ich bin echt sauer). Eltern, die nicht einmal Ahnung von Pferden haben müssen, dürfen “todbrave” Ponys eine Stunde lang durchs unbekannte Gelände führen. Sie müssen nur ihr Auto abstellen, nachdem sie vorher einen Termin zugeteilt bekommen haben. Wow.
Vom Ansteckungsrisiko über die Unfallgefahr bis zur Ignoranz geltendem Recht ist da ja alles dabei. Und kann die Stallbesitzerin kontrollieren, was in Abwesenheit mit den Ponys passiert?
Aber auch Pflegebeteiligungen boomen. In Bayern, wo ja mitunter die stärksten Beschränkungen gelten, werden in Schulställen fröhlich Mädels zum Reiten der Pferde angeworben. Da, wo schon Ställe geschlossen werden, weil Auflagen ignoriert werden, Pferdebesitzer und Reitbeteiligungen mit zwei-Stunden-Slots zurechtkommen müssen und teilweise gar keine Reitbeteiligungen mehr erwünscht sind – da sollen jetzt noch mehr neue Personen die Ställe bevölkern. Prima. Aber hey, Unterricht gibts ja schließlich keinen (der gleiche Stall warb bei Corona-Ausbruch mit Kinderreitstunden – die frische Luft macht die Ansteckung ja unmöglich…).
Auch hier: Steigende Unfallgefahr, höhere Kontakte.
Wer hier an die Vernunft appelliert, Fehlanzeige. Der Beifall unter den Beiträgen auf Facebook spricht Bände.
Aber nicht nur Stallbesitzer sind so gedankenlos, auch viele Reiter. Da wird immer noch gemütlich Kaffeeklatsch gehalten, miteinander ausgeritten ohne Abstand und im rasanten Tempo. Slots werden ignoriert und Hygienemaßnahmen als übertrieben abgetan.
Es haben einfach immer noch nicht alle begriffen, was diese Aktionen bedeuten:
- Mehr Leute – höhere Ansteckungsgefahr
- Ansteckung auch über Gegenstände (Türgriffe, Besen, Koppelzaun) und Pferdeausrüstung (Sattel, Zügel, Putzzeug) möglich, wenn es dumm läuft. Und das kann es, das Virus kann bis zu drei Tagen aktiv sein.
- Die Unfallgefahr steigt: Bei Unfällen werden dringend benötigte Pflegekräfte, Ärzte oder Intensivbetten beansprucht. Nicht umsonst werden zahlreiche OPs verschoben. Wenn dann ein Reiterlein mit Schädelfraktur eingeliefert wird, macht das richtig Laune beim Personal.
- das Ziel “flatten the curve” wird sabotiert: Es geht nicht darum, das Virus aufzuhalten (das wird nicht gelingen), aber wir müssen dringend die Ansteckungsrate verlangsamen. Und nein, es trifft nicht nur die “Alten” (auch die wollen übrigens gerne noch weiterleben!)
Ich denke, mehr muss ich wirklich nicht aufzählen. Einigen wird das, was sie da tun, erst bewusst werden, wenn es jemanden aus ihrem Umfeld erwischt. Das hoffe ich für niemanden, aber die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Der Peak in Deutschland steht noch aus.
Ob ich es auch noch mit einem Appell versuchen sollte? Eine Umfrage auf Instagram vom Traberblog zeigt, das das wohl nichts bringt: Die Mehrheit der Befragten hat ihr Verhalten im Stall/ beim Reiten nicht geändert. Aber vielleicht auch, weil sie schon immer sorgsam waren. Vielleicht. Ich wünsche es mir.
Jemand, der jung ist und nicht zur Risikogruppe zählt, mag das alles für übertrieben halten. Wisst ihr was? Ich gehöre mit drei(!) Vorerkrankungen zur Risikogruppe. Man sieht es mir nicht an. Vermutlich gibt es davon so einige in eurem Umfeld. Denkt bitte daran. Und Hände waschen nicht vergessen.
PS: Ich hab eh die besten Leser, die so einen Scheiß nicht machen. Ich glaube ganz fest daran! Bleibt gesund, benutzt den Helm und knuddelt das Pferdchen! So! Und jetzt, frohe Ostern!
PPS: Argumentiert hier nicht mit “Pferde müssen bewegt werden” oder “Pferde kosten halt Geld”. Als Stallbesitzer muss ich in der Lage sein, zwei bis vier Wochen locker ohne Einnahmen zu überbrücken. Die Pensionseinnahmen laufen ja auch weiter. Schulställe können Fördermittel beantragen. Ich bin selber Freiberufler und muss auch gucken. Und zur Bewegung: Das ist meine verdammte Sorgfaltspflicht; dann muss ich meine Haltung überdenken oder mein Geschäftskonzept.
NACHTRAG 19.4.2020
In vielen Gruppen schlug der Beitrag Wellen, daher möchte ich auf die Vorwürfe noch einmal separat eingehen. In keinster Weise rate ich davon ab, Pferde nicht adäquat zu bewegen. Ich greife lediglich die Vorgabe der Risikominimierung auf. Es ist eben nicht jeder Reiter sattelfest und der Ausbildung eines Jungpferds gewachsen. Reiter mit ausreichend Praxiserfahrung sollten sich gar nicht angesprochen fühlen. Zu behaupten, ich würde raten, man solle nicht mehr galoppieren, nicht mehr ausreiten oder gar seine jungen Pferde nicht reiten, stehen NIRGENDS in diesem Text. Ich bediene mich lediglich einiger textlicher Stilmittel, um die Sachlage zu verdeutlichen und einen humorvollen Unterton zu generieren. Wer dies nicht verstehen kann, sollte bitte auf einen anderen Blog umswitchen. Danke. Ich bin des Diskutierens überdrüssig.