Vor 35 Jahren habe ich die ersten Reitstunden genommen. Angefangen in einem klassischen Reitverein, Ferienreitkurs. Unterscheiden sich die Reitstunden von damals zu heute eigentlich sehr?
Da sitze ich am Schreibtisch und ich überlege, wo ich aus dem Nähkästchen plaudern könnte. Reitstunden gehen ja immer, ist ja immer aktuell. Also dann. Als ich mit dem Reiten begann, war Pädagogik im Reitverein… sagen wir mal; der Reitsport hinkt ja immer etwas nach. Wobei es auch die anderen gab, die, die nett mit Kindern konnten. Im Reitverein gegenüber war das so mittel, je nachdem welchen ReitlehrerIN man gerade erwischte.
Ich liste mal auf, welche Dinge typisch für den Reitunterricht damals waren. Kommt dir das bekannt vor? Oder ist das heute immer noch so? Und was ist heute überhaupt anders als früher? Natürlich kann ich nur für mein persönliches Umfeld sprechen – deine Wahrnehmung kann eine ganz andere sein.
Reiten im Wandel der Zeit
Reiten ohne Steigbügel
Reiten ohne Steigbügel gehörte zur guten Grundausbildung. Wir sind häufig ganze Reitstunden in allen Gangarten, auch beim Springen, ohne Steigbügel geritten. Je nach Pferd war das eine echte Qual, schulte aber Sitz und Sicherheit auf bockigen Schulpferden. Heute sehe ich das nur noch selten. Viele Reiterinnen und Reiter wollen das nicht, weil anstrengend. Darum wiederum nimmt das Unterrichtselement ab, zügelunabhängigen und sicheren Sitz sehe ich nicht mehr so durchgängig wie früher.
Rauchende Reitlehrer in der Reithalle
Rauchen war früher ja noch nicht so ungesund (haha). Daher standen viele meiner ReitlehrerINNEN qualmend in der Ecke und gaben zwischen zwei Zügen noch einige Kurzbefehle: “Absätze tief”, “Ellenbogen ran” oder auch “Laaaaaaangsammmmm!”. Zur Korrektur ging es mit Kippe noch schnell aufs Schulpferd, lässig wie ein Cowboy in der Prärie. Das sehe ich mittlerweile recht selten, in vielen Reithallen herrscht auch Rauchverbot (was Sinn macht). ReitlehrerINNEN erfüllen eine Vorbildfunktion und ich finde die Veränderung gut (ich habe selbst lange geraucht).
Pflege der Ausrüstung
In meiner Anfangszeit mussten wir nach jeder Reitstunde die Ausrüstung putzen. Es sei denn, das Pferd musste eine weitere Stunde laufen. Es standen Sattelböcke in der Sattelkammer, es roch nach Sattelseife. Tatsächlich wurde kontrolliert, ob alles sauber war, vom Gebiss bis zu den Gurtstrippen. Das Sattelzeug hielt damals übrigens Jahrzehnte – es war wesentlich teurer als heute und wurde gut gepflegt. Das sehe ich heute nicht mehr – ist was kaputt, wird es schnell ersetzt. Wobei das auch sehr individuell ist, jeder Mensch ist da anders.
Sturz vom Pferd
Biste gestürzt, musstest gleich wieder hinauf (solange du stehen konntest). Das ist jetzt wohl auch noch Usus, aber damals gabs danach eine Runde für alle oder einen Kuchen. Die armen Mütter standen also wöchentlich am Ofen und durften Kuchen für alle Reitstundenteilnehmer backen, Woche für Woche. Wohl derer, deren Kinder sattelfest waren. Gibts jetzt immer noch Kuchen?
Autorität Reitlehrer
Was der ReitlehrerIN sagte, das wurde gemacht und nicht angezweifelt. Hatte viele Vorteile, natürlich auch einige Nachteile. Heute Reitunterricht zu geben wird durch die Veränderung in der Gesellschaft und die sozialen Medien deutlich erschwert. Geht es nicht schnell genug (“Ich will aber jetzt galoppieren!”), wird einfach der ReitlehrerIN gewechselt. Und Trainer darf sich ja jeder nennen. Es gibt Trainer für alle Gelegenheiten, oft auch zweifelhaft. Das Gute: Wenn der Reitlehrer heute das Pferd blutig prügelt, wissen wir, dass das großer Mist ist. Vor 30 Jahren, als Kind, warst du zwar entsetzt, hast es aber nicht in Frage gestellt oder dich getraut was zu sagen. Das Schlechte: Wenn der Reitlehrer sagt, du bist noch nicht gut genug zum Springen, kannst du einfach wechseln. Aber der Neue wird dir nach dem Mund reden und du lernst nichts. Hmmm.
Die Haltung
Früher standen die Pferde in Boxen. Die Ställe dunkel und warm, teilweise ohne Fenster. Koppeln nur für die Privatpferde. Dafür liefen die Pferde fünf Stunden am Tag, es gab Heu, Hafer und bei Bedarf Pellets. Die Ausritte einmal im Monat auf Schulpferden war ein Großereignis, da machten sich die Stunden ohne Steigbügel gleich bezahlt. Die Haltung ist mittlerweile um einiges besser, Ständerhaltung und Stacheldraht wurden verboten. Dafür gibts beim Futter mehr Tamtam.
Reitdress & Co.
Jägergrün, braun, weinrot, blau oder beige: Das waren die Farben der Reithosen meiner Jugend. Dazu Fleecepullis oder alte Tshirts. Wer es sich leisten konnte, trug Vollbesatz oder Lederreitstiefel. Bis 15, 16 bin ich ausschließlich mit Kniebesatz und PVC-Stiefeln geritten. Zu Reitstunden musstest du eine eigene Gerte mitbringen. Helm für Kinder war immer vorgeschrieben, aber gebracht haben die damals mit Gummiband nicht viel.
Insgesamt war das Reiten lernen – je nach Stall – sehr ganzheitlich. Anfangs lerntest du die Grundzüge in Abteilungen und an der Longe, je besser du wurdest, desto mehr Freiheiten bekamst du. Für jeden Schritt in Richtung besserer Reiterei gab es ein Zuckerstückchen für dich als ReiterIn: Trockenreiten von Turnierpferden war so ein Highlight. Du durftest Privatpferde reiten. Ein Pflegepferd putzen. Die Springstunde durfte jetzt mit dir stattfinden. Du durftest mit dem Schulpferd zum Grasen gehen. Deine Bemühungen wurden honoriert, du erhieltst mehr Verantwortung.
Heutzutage habe ich manchmal den Eindruck, jeder will alles sofort. Und Ställe und TrainerINNEN wollen es ihren Kunden recht machen – die Konkurrenz ist groß. Andererseits ist die heutige Vielfalt auch eine Chance. So hat alles seine Vor- und Nachteile.
Was meint ihr – überwiegen die Vorteile heutzutage oder trauert ihr etwas aus der Vergangenheit nach?
Das mit dem rauchenden Lehrer kenn ich auch gut ^^ bin aber auch froh, dass es das heutzutage nur mehr ganz selten gibt!
LG Sandra (:
Das war glaub fast überall so 🙂 Gehörte damals irgendwie zum Bild dazu, so gefühlt. Ja, da bin ich auch froh 😀 LG